Good Russ, Bad Russ – Wie Russell Westbrook funktioniert und wie nicht

Das Duell der Rockets mit den L. A. Clippers in der Nacht von Freitag auf Samstag war emblematisch für das Dilemma um Russell Westbrook. Es zeigte, dass Russ für die Rockets gleichzeitig Fluch und Segen ist.

Good Russ

Ohne Eric Gordon und Danuel House Jr. fehlen der Rockets-Offense zwei essenzielle Floor Spacer. In Abwesenheit der Beiden liegt es besonders an Westbrook, abseits des Balles Gefahr auszustrahlen. Gegen die Clippers hat er gezeigt, wie er das trotz seines miserablen Distanzwurfs schaffen kann.

Die Clippers schickten Double-Teams gegen James Harden. Immer und immer wieder. Nicht selten waren es Westbrooks Verteidiger, die sich in Richtung Harden orientierten und Russ zwangen, schnell eine Wahl zu treffen: „Nehme ich den freien Wurf? Ziehe ich oder passe ich?“

Räume, die Gordon oder House für offene Dreier nutzen, attackierte Russ mit explosiven Drives oder schnellen Swingpässen. Trifft Westbrook zügig Entscheidungen, passieren gute Dinge für die Raketen. Die folgenden Szenen zeigen, wie er sich den Respekt der Verteidigung verdient und damit seinem Team hilft.

Double-Team, Drive, Pass. Double-Team, Drive, Finish. Double-Team, Swing, Swing, offener Dreier – so einfach ist Rockets-Basketball, wenn Harden derartig Aufmerksamkeit auf sich zieht und Westbrook sich gegen seinen Kryptonit, den Dreier, entscheidet.

Bad Russ

Die Kehrseite der Medaille tut weh – richtig weh. Wer sich über Russ‘ Höhen freuen möchte, muss sich damit abfinden, seine Tiefen zu akzeptieren. Bei kaum einem Spieler gehen diese beiden Extreme weiter außeinander.

Im Spiel gegen die Clippers war das – vor allem in der Crunchtime – nicht anders. Nur einer seiner sieben Versuche im letzten Viertel führte zu Punkten. Drei davon kamen von hinter der Dreierlinie.

Einer der Schlüsselmomente der letzten drei Minuten lief wie folgt ab: Russ bekommt den Rebound und wirft die Jets an – so weit, so gut, denn genau in diesen Situationen spielt Westbrook normalerweise seine Stärke aus. Auf dem Weg zum Korb nimmt er jedoch viel zu früh den Ball auf und forciert einen schwierigen Layup. Nimmt er Lou Williams mit bis zum Ring und versucht beim Hochgehen und nicht während der Abwärtsbewegung abzuschließen, legt er das Ding locker rein oder geht an die Linie.

Dieses zu frühe Abspringen mit dem Gedanken durch Verteidiger hinweg zu fliegen ist ein Problem, dass für Westbrook seit seiner Rookiesaison besteht. Bis heute hat er daraus nie die nötige Konsequenz gezogen.

Dann war da natürlich der letzte Angriff, bei dem Houston noch alles in der Hand hatte. Mit 15,2 Sekunden auf der Uhr, einem Punkt Rückstand und einer verbleidenden Auszeit war der Sieg absolut in Reichweite. Westbrook bringt den Ball über die Mittellinie und übergibt an Harden, der direkt gedoppelt wird. Es bahnt sich eine dieser Situationen an, die Russ – wie oben im ersten Clip – zuvor schon ideal genutzt hatte: Sein Verteidger steigt ins Double-Team gegen Harden ein und schafft so Platz für Westbrooks Drive oder den schnellen Pass zum offenen Schützen.

Westbrook, in diesem wichtigen Moment hitzköpfig wie eh und je, entscheidet sich jedoch dafür, zum Dreier hochzusteigen. Warum? Kein Plan, Russ dachte vermutlich: „Warum nicht?“ Hätte Houston unbedingt drei Punkte benötigt, wäre der Dreier wohl vertretbar gewesen. So ist seine Wahl komplett hanebüchen.

Der Weg zum Korb ist nahezu frei. Macht Harrell seinen Job und nimmt Russ auf, ist Capela für den Lob oder Durchstecker da. Weitere Optionen: P. J. „King of the Corner Three“ Tucker in der linken Ecke, Austin Rivers an der verlängerten Freiwurflinie. Houston hätte in Führung gehen können. Die Clippers stünden ohne Auszeit und mit weniger als einer Handvoll Sekunden bis zum Buzzer da. Stattdessen klunkt Russ den Dreier und ist zum (sechsten) Foul gezwungen, das Paul George mit 1,2 Sekunden an die Linie bringt. Mies!

Schlechte Gewohnheiten

Russell Westbrook hat dieses Spiel nicht allein verloren. Die Führung hat das Team im Kollektiv verspielt. Es ist auch nicht dramatisch, Ende November ein Spiel auf Augenhöhe gegen das vermeintlich beste Team der Liga abzugeben. Westbrook hat in Sachen Entscheidungsfindung in den wichtigsten Momenten jedoch nie wirkliche Fortschritte gemacht und das in diesem Spiel erneut unterstrichen.

Seine schlechten Gewohnheiten kommen in Houston seltener zum Vorschein, da er Harden prinzipiell den Vortritt lässt. Scheinbar kann er sein Cool in den entscheidenden Szenen aber auch neben seinem Sandkastenfreund nicht wahren. Der Ausblick auf die großen Ziele der Texaner bleibt daher düster. Westbrook kann stellenweise Licht ins Dunkel bringen, er ist allerdings auch zu jedem Zeitpunkt in der Lage, alle Lichter selbst auszuknipsen.