Preview Scoops /// San Antonio Spurs
Bei den Spurs ging diesen Sommer eine Ära zu Ende. Nachdem Tim Duncan schon seit zwei Jahren seinen wohlverdienten Ruhestand genießt, verließen nun auch die anderen alten Hasen die traditionsreiche Franchise: Tony Parker zog es nach Charlotte und Manu Ginobili beendete seine aktive Karriere. Wie werden sich die Spurs rehabilitieren, die es in ihrer Franchise-Geschichte nur vier mal versäumten, die NBA-Playoffs zu erreichen?
Who’s In /// Who’s Out
In | Out |
DeMar DeRozan /// SG | Kawhi Leonard /// SF |
Danny Green /// SG | Danny Green /// SG |
Jakob Poeltl /// C | Kyle Anderson /// SF |
Marco Belinelli /// SG | Tony Parker /// PG |
Dante Cunningham /// SF, PF | Manu Ginobili /// SG |
Quincy Pondexter /// SF, PF | Joffrey Lauvergne /// PF |
Lonnie Walker IV /// PG, SG | Darrun Hilliard /// SG |
Chimezie Metu /// PF | Matt Costello /// C |
Okaro White /// PF | Brandon Paul /// PG, SG |
Jaron Blossomgame /// PF | |
Drew Eubanks /// C | |
Nick Johnson /// PG, SG | |
Josh Huestis /// SF |
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Die größte und folgenreichste Veränderung in San Antonio war der Abgang von Kawhi Leonard. Letzte Saison absolvierte er verletzungsbedingt nur neun Spiele und entfernte sich für den Großteil der Saison von seinem Team, um mit eigens ausgewählten Doktoren seine Reha durchzuführen. Ursprünglich galt Kawhi als neuer Fackelträger der Spurs-Dynastie, doch es sollte anders kommen als erwartet.
Leonard forderte überraschend einen Trade und die Entscheider der Franchise um General Manager RC Buford und Coach Popovich tauschten ihn und Danny Green nach langem Hin und Her gegen DeMar DeRozan, Jakob Poeltl und einen First-Round-Pick für 2019. Dieses Paket wird dem ehemaligen Finals-MVP Leonard nur bedingt gerecht. Besonders enttäuschend war es, dass San Antonio im Deal mit Toronto weder OG Anunoby, noch Pascal Siakam ergattern konnte. Diese beiden Spieler wären trotz ihres jungen Alters und fehlender Erfahrung schon jetzt bereit gewesen, Lücken im Kader zu stopfen und wertvolle Minuten abzureißen. Immerhin ging ein First-Rounder in besagtem Deal nach San Antonio. Zwar wird dieser eher am Ende der ersten Runde anzusiedeln sein, jedoch ist er bei der Franchise aus Texas in den richtigen Händen. In der Vergangenheit hat Buford mehrmals bewiesen, dass er am Ende der ersten Runde durchaus NBA-fähiges Talent zum Team addieren konnte: Dejounte Murray, Cory Joseph, George Hill oder auch Tony Parker sind gute Beispiele dafür.
Nichtsdestotrotz steht San Antonio jetzt als Verlierer da. Wer einen Spieler vom Kaliber eines Kawhi Leonard abgibt hat allerdings ohnehin schlechte Chancen als Sieger aus einem solchen Trade herauszugehen. Wenigstens ermöglicht der Deal den Spurs, kommende Saison trotzdem um die Playoffs mitzuspielen. Hätten sie sich für ein Paket aus jungem Talent und Draftpicks entschieden, hätte das eindeutig einen Neuaufbau eingeläutet. Daran hatte die Führungsriege und vor allem Gregg Popovich kein Interesse – nachladen statt neubauen war also die Devise.
In DeMar DeRozan verpflichtete Buford einen viermaligen All-Star, der vom System von Popovich profitieren wird. Gemeinsam mit LaMarcus Aldridge wird er Großteile des Scorings übernehmen und dabei von Popovich bestmöglich in Szene gesetzt werden. Laut NBA.com reduzierte DeRozan seine Isolationen im letzten Jahr in Toronto merklich und wurde vermehrt als Ballhandler im Pick-and-Roll eingesetzt (Ballbesitze mit Isolation in 16/17: 4,6; in 17/18: 3,0). Popovich wird diesen Trend weiter vorantreiben.
Auch DeRozans angestiegene Bereitschaft, öfter den Dreier zu nehmen (in 17/18 zum ersten Mal mehr als drei 3PA pro Spiel) kommt dem Spiel der Spurs zugute, denn nach den Abgängen von Danny Green, Leonard und auch Kyle Anderson fehlt es an zuverlässigen Schützen von draußen. Zudem gilt DeRozan als absolut elitärer Schütze aus der Mitteldistanz. Auch hier wird Popovich Wege finden, seinen Neuzugang in aussichtsreiche Positionen auf dem Feld zu bringen.
Die angesprochene Lücke auf dem Flügel und in Sachen Shooting könnte sich noch als Problem herausstellen – vor allem wenn es Richtung Playoffs gehen sollte. Rückkehrer Marco Belinelli kann hier mit Sicherheit Abhilfe schaffen, jedoch ist er in der Defensive eher eine Belastung als eine Hilfe. Die anderen Neuzugänge auf dem Flügel, Dante Cunningham und Quincy Pondexter, stehen unter großen Fragezeichen, was ihre Tauglichkeit betrifft, konstant auf hohem Niveau zu spielen. Auch hier könnte der Einfluss von Popovich allerdings einen positiven Effekt erzeugen, der traditionell dafür sorgt, dass Spieler über ihrem eigentlichen Niveau agieren – der Pop-Effekt eben.
Auf der Eins steht Popovich ein extrem talentierter Spieler zur Verfügung. Die Rolle als erster Point Guard ist Dejounte Murray sicher, denn sein größter Konkurrent in Sachen Spielzeit war Tony Parker, der in Richtung Charlotte abwanderte. Murrays Stärken in der Defensive und an den Brettern werden vielen gegnerischen Point Guards Probleme bereiten. Die große Unbekannte in seinem Spiel ist jedoch der Wurf von draußen. Der junge Aufbau muss unbedingt dafür sorgen, dass sein Dreier halbwegs ernst genommen wird, denn sonst lassen ihn gegnerische Verteidigungen weiterhin guten Gewissens offen stehen.
Besonders imposant hat sich dieses Problem in der Serie der ersten Runde der Playoffs 2018 offenbart. Die Warriors scherten sich einen feuchten Kehricht darum, dass Murray regelmäßig ungedeckt am Dreier stand. Der 22-Jährige traute sich in den meisten Fällen wegen fehlendem Selbstvertrauen nicht abzudrücken. In Spiel vier konnte sich Murray endlich dazu durchringen, vier dieser freien Situationen vom Dreier fliegen zu lassen: drei davon fanden ihr Ziel. Schafft er es, ansatzweise so effektiv zu treffen wie in diesem Spiel und beweist dies über weite Strecken, dann wird das nicht nur seine Offensive, sondern auch die der Spurs um Einiges gefährlicher machen. Für seine Defense wird er bereits jetzt vom besten Spieler der Welt respektiert.
Die großen Position sind mit LaMarcus Aldridge, Pau Gasol und dem mit neuem Vertrag ausgestatteten Davis Bertans zwar offensiv talentiert besetzt, jedoch fehlt es an defensiver Präsenz in dieser Rotation. Neuzugang Jakob Poeltl verjüngt den Frontcourt der Spurs und ist als einziger dieser Spieler defensiv versiert. Letztes Jahr hatte San Antonio diesbezüglich ähnliche Probleme, schaffte es aber doch, eine der Top-Verteidigungen der Liga zu stellen. Positionsspiel, Erfahrung und der oben bereits erwähnte Pop-Effekt verhalfen der Mannschaft trotz offensichtlicher Limitierungen zur viertbesten Defense. Kann Popovich dieses Phänomen mit dem neuen Kader reproduzieren? Ein echter Ringbeschützer und Shotblocker wäre noch eine hilfreiche Addition, doch der Kaderbau für die neue Saison scheint vorerst abgeschlossen zu sein. Trotzdem bleibt abzuwarten, ob hier per Trade oder Minimalvertrag noch nachgebessert werden kann.
Neben Jakob Poeltl kam nur ein junger Spieler zum Kader der Spurs hinzu, mit dem in Zukunft geplant werden soll: Lonnie Walker IV wurde an 18. Stelle der Draft 2018 gewählt und verspricht ein potenzieller Guard mit Athletik und Scoring-Punch zu werden. Wie weit die Entwicklung für den jungen Wilden im ersten Jahr geht, bleibt abzuwarten. Talent bringt er sicherlich mit. Allerdings muss sich der 19-Jährige mit der komischsten Frise seit Elfrid Payton erst noch an die Gepflogenheiten eines NBA-Profis gewöhnen. Sein Spiel im College in Miami spiegelte seine extrovertierte Persönlichkeit, denn auch auf dem Feld zeichnete ihn sein irrationales Selbstvertrauen aus.
Based off personality and hair alone, my favorite player in this draft is Lonnie Walker IV pic.twitter.com/FXNcTgBQL4
— Larry Treasure III (@SnowflakeDrizzy) 22. Juni 2018
Outlook
Von dem legendären Trio Duncan, Parker und Ginobili ist keiner mehr übrig. Nur noch Meister-Coach Gregg Popovich schwenkt weiterhin das Taktikbrett in Texas. Den erwartet nach einem Sommer voller Fluktuation seine vielleicht anspruchsvollste Aufgabe als Coach der Spurs, denn es bleiben einige Fragen offen: Wer kann auf dem Flügel konstant auf beiden Seiten des Feldes agieren? Woher bekommt die Offensive das benötigte Shooting von draußen? Wie kaschieren Popovich und sein Trainerstab die defensiven Limitierungen ihres Kaders?
Die Additionen, die San Antonio diesen Sommer getätigt hat, adressieren zumindest teilweise diese offenen Baustellen. DeRozan wird basketballerisch in bessere Situationen gebracht werden als im bisherigen Verlauf seiner Karriere. Das System in San Antonio und das exzellente Coaching von Popovich kommt ihm mit Sicherheit zugute. Jakob Poeltl stabilisiert den defensiv schwächelnden Frontcourt und könnte potenziell zum Starter neben Aldridge avancieren. Wie der junge Wiener mit dieser Rolle umgehen wird, wird interessant sein zu beobachten. Auf den Flügelpositionen ist allerdings nicht absehbar, wer dem Team wirklich weiterhelfen kann. Der genesene Rudy Gay wird diesbezüglich eine große Rolle spielen. Er kann Aufgaben als sekundärer Spielmacher übernehmen sowie abseits des Balles effektiv sein. Hinter Gay klafft dann aber ein Loch. Cunningham und Pondexter sind keine verlässlichen Alternativen. Eventuell kann es Josh Huestis während dem Trainingslager in den Kader schaffen. Letztes Jahr stellte dieser in Oklahoma von der Bank aus eine defensive Verstärkung hinter Carmelo Anthony dar, schwächelte aber in seiner offensiven Produktion.
Für die Spurs gilt es, diese Saison Antworten auf all diese offenen Fragen zu finden, wenn sie es zum 22. Mal in Folge in die Endrunde schaffen wollen. Mit DeMar DeRozan an der Spitze der Offense und dem Pop-Effekt am defensiven Ende sollte es allerdings für einen der letzten drei Playoffränge im Westen reichen. Danach droht dem Team aus Texas allerdings spätestens in der zweiten Runde das Aus.
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***Alle Statistiken per stats.nba.com (25.09.2018)***