Der Westen wird wild
7 All Stars der letzten Saison haben diesen Sommer den Verein gewechselt. Viele von ihnen wechselten in die Western Conference.
Das Wettrüsten gegen das vermeintlich beste Team aller Zeiten ist in vollem Gange. Daryl Morey, General Manger der Houston Rockets, sagte nach dem Trade für Chris Paul, dass man entweder Teil dieses Wettrüstens ist, oder eben daneben sitzt und zuschaut. Auch Geschäftsführer anderer Franchises scheinen sich dieses Mantra zu Herzen genommen zu haben.
Vor allem Sam Presti, seines Zeichens Leiter des Front Office in Oklahoma City, hat die Telefonleitungen bisher glühen lassen. Ihm gelang es Domantas Sabonis, Victor Oladipo, Doug McDermott, Enes Kanter und einen frühen Zweitrunden-Pick der Bulls in Paul George und Carmelo Anthony umzumünzen. Verschiedene Umstände führten dazu, dass es den Thunder möglich war, diese beiden Superstars für einen so geringen Gegenwert zu verpflichten.
Indiana über den Tisch gezogen
Paul George hatte verlauten lassen, dass er gerne in seiner Heimat in Los Angeles bei den Lakers spielen würde. Der Abschied aus Indiana war nur eine Frage der Zeit. Team Präsident Larry Bird hatte das sinkende Schiff im Vorfeld verlassen und wusste bereits während der Saison um die trüben Aussichten der Pacers.
Der neue President of Basketball Operations Kevin Pritchard akzeptierte schlussendlich einen Deal, der immer als umstritten gelten wird: Victor Oladipo und der 11. Pick der Draft 2016 Domantas Sabonis gegen Paul George. Oladipo verdient bis einschließlich 2020/21 21 Millionen Dollar jährlich und nimmt somit langfristig finanziellen Spielraum in Beschlag. Seine Leistungen in der vergangenen Saison waren an der Seite von Russell Westbrook akzeptabel, ihn jedoch als Pfeiler eines jungen Teams zu bezeichnen, um den es sich lohnt herum aufzubauen, wäre überzogen.
Mit dem 21-jährigen Sabonis bekam Indy immerhin einen jungen Spieler mit Potenzial. Seine Rookie Saison verlief aber eher durchwachsen. Knapp 6 Punkte und 4 Rebounds in 20 Minuten konnte Sabonis beisteuern. Zudem war er aus dem Feld und von draußen ineffizient (40% FG, 32% 3P).
Die Leitung der Pacers baut also darauf, dass Victor Oladipo in eine größere Rolle wächst und seinem horrenden Salär gerecht wird. Sabonis soll zum athletischen Big Man mit Reichweite bis hinter die Dreierlinie reifen. Weiterhin getrübte Aussichten für Pacers Fans…
In Oklahoma City erfreuen sich Fans derweil an einem neuen Superteam. Die Paarung von Westbrook und Paul George hat viel Potenzial auf beiden Seiten des Feldes. Das Spiel des Ex-Pacers beruht nicht darauf, pausenlos den Ball in der eigenen Hand zu führen. Er bewegt sich abseits des Balles äußerst intelligent und ist ein zuverlässiger Schütze von draußen. Per NBA.com hat George vergangene Saison bei einem Volumen von 4,8 Versuchen pro Spiel 41,8% seiner Catch-and-Shoot Dreier getroffen. Damit ist er einer von nur 14 Spielern in der Liga, die in dieser Situation über 40% ihrer Dreier trafen.
Auf der anderen Seite des Balles steht den Thunder nun ein unerschütterlicher Verteidiger zur Verfügung. Russell Westbrook spielte vor allem im letzten Jahr defensiv unter seinen Möglichkeiten. Die Addition eines Verteidigers mit den Qualitäten von George gibt Rückendeckung für den amtierenden MVP. Diese Sicherheit in der Defensive sowie die geringere Nutzungsrate im Angriff sollten Westbrook merklich entlasten und ihm Kraft lassen, wieder aggressiv und effizient zu verteidigen.
Carmelos Befreiung
Das Tauziehen zwischen den Knicks und Carmelo Anthony um einen Trade weg aus New York ist eine Geschichte für sich. Präsident Phil Jackson hatte Melos Vertrag damals mit einer No-Trade Klausel ausgestattet. Phil versuchte Melo öffentlich vom Hof zu jagen. Er versuchte Anthony dazu zu bringen, auf diese Klausel zu verzichten. Vorstellbar in was für ein Drama sich eine solche Situation auf der größten Bühne in New York entwickeln kann. Nachdem Jackson entlassen wurde und bevor der neue Präsident Scott Perry von den Kings verpflichtet wurde, war es fast zu einem Deal mit den Houston Rockets gekommen.
Melo hatte den Knicks deutlich klar gemacht, dass er ausschließlich mit seinem Buddy Chris Paul und dem Bärtigen in Houston zusammen spielen will. Perry wollte aber unter keinen Umständen die verbleidenden 60 Millionen Dollar an Ryan Anderson zahlen, denn das hätte die Finanzbücher der Franchise langfristig stark belastet. Folglich stockten die Verhandlungen mit den Rockets und es bestand eine reelle Chance, dass Anthony die Saison mit den Knicks beginnen würde.
Plötzlich ging aber alles ganz schnell: Melo erweiterte seine Liste an Teams, zu denen er einem Wechsel zustimmen würde. Die Thunder tauchten auf dieser Liste auf und es dauerte nur wenige Stunden, bis GM Sam Presti sich mit dem Front Office der Knicks auf folgenden Tausch einigte: Enes Kanter, Doug McDermott und Chicagos 2018 Zweitrunden-Pick wurden für Carmelo Anthony in den Big Apple verschifft. Presti erweiterte damit das ohnehin schon vielversprechende Duo Westbrook und George um einen weiteren Star.
Zwar hat dieser seine besten Jahre bereits hinter sich gelassen und wird defensiv wenig Einfluss nehmen, jedoch ist Anthony immer noch einer der besten 1-on-1 Scorer der Liga. Per NBA.com verwandelte Melo 47,3% seiner Isolation-Plays in Punkte. Zudem hat er in vergangenen Jahren beim Team USA immer wieder gezeigt, wie gut er neben anderen Superstars funktionieren kann.
Die Bank
Um George und Anthony nach OKC zu holen, scheute Thunder GM Presti nicht davor zurück, die Tiefe des Kaders aufzuopfern. Mit McDermott, Oladipo und Sabonis verlassen drei Rotationsspieler mit Potenzial die Franchise in Richtung New York und Indiana. Von Jerami Grant und Alex Abrines wird nun erwartet, konstant als Erganzüngsspieler zu produzieren. Der Spanier Abrines kommt von einer Verletzung bei der Eurobasket zurück und hat in 2016/17 in 15,5 Minuten pro Spiel nur 6 Punkte und einen Rebound aufgelegt. Den Dreier trifft er mit 38,1% bei 3,6 Versuchen pro Spiel aber bereits vielversprechend. Defensiv muss Abrines allerdings erst noch beweisen, dass er mit den großen Jungs mithalten kann.
Grant dahingegen hat bereits Fähigkeiten als athletischer Forward gezeigt, kann über Korbhöhe abschließen und hat besonders im Fastbreak seine Stärken angedeutet. Sein Shotchart zeigt, wie sicher Grant im Jersey der Thunder den Dreier aus der Ecke getroffen hat.
Dies ist in der heutigen NBA für athletische Bigs ein besonders wichtiger Aspekt ihres Spiels. Ohne Spacing geht in den besten Offensiven der Liga nichts mehr. Daher sollten mindestens vier, in Small Ball Lineups idealerweise sogar alle fünf Spieler auf dem Feld von der Dreierlinie gefährlich sein.
Mit Patrick Patterson nahm Presti im Sommer einen Free Agent unter Vertrag, der für Oklahoma zu einem wichtigen Puzzleteil werden soll. Per NBA.com traf der Ex-Raptor letzte Saison 39,2% seiner Dreier, bei denen weit und breit kein Verteidiger in Sicht war. In Lineups gemeinsam mit den drei Stars des Teams sollte Patterson von genau dieser Art Wurf profitieren.
Zudem ist Patterson defensiv überdurchschnittlich flexibel. In der Verteidigung des Pick-and-Roll kann er durchaus auf kleinere Gegenspieler wechseln und diese vor sich halten. Vor allem im Duell mit dem großen Elefanten im Raum, den Golden State Warriors, gilt es, auf diesem Gebiet gut ausgerüstet zu sein. Patterson könnte gegen kleinere Lineups gemeinsam mit Jerami Grant die großen Positionen belegen und die Thunder könnten defensiv fleißig und guten Gewissens rotieren und übernehmen.
Die Tiefe des Kaders wurde durch den Verlust der vier Rotationsspieler zwar auf den ersten Blick geschwächt, jedoch hat man mit Patterson einen Ersatz gefunden, der wichtige Aufgaben zuverlässig ausführen kann. Aus den eigenen Reihen macht vor allem Grant den Anschein, eine Lücke im Frontcourt schließen zu können.
Die Frage, die noch offen bleibt
Die Additionen von George und Anthony machen Oklahoma zu einer schlagkräftigen Offensive, die jede Verteidigung vor große Probleme stellen wird. Westbrook wird sehr viel Platz haben für Drive-and-Kick Aktionen und diese Räume werden die beiden Neuzugänge deutlich effizienter nutzen, als die Unterstützung von Russell Westbrook das letzte Saison tat. Dank den defensiven Ankern Steven Adams und Paul George, aber auch mit der Hilfe von Roberson, Westbrook, Patterson und Grant, wird es den Thunder auch möglich sein, auf allerhöchstem Niveau zu verteidigen.
Allerdings kommen bei der Neubildung von solchen Superteams auch Fragen auf: Schafft es Coach Donovan, klare Linien vorzugeben, denen die Stars Folge leisten? Wird verhindert, dass die potenziell so schlagfertige Offensive zum Gezocke und einer Isolation nach der anderen verkommt? Gibt Westbrook seinen Co-Stars am Ende von knappen Spielen den Ball? Wenn die Thunder auf diese und weitere Fragen, die richtigen Antworten finden, sind sie prädestiniert, in der regulären Saison zu dominieren. Platz 2 im Westen wäre ein realistischer Ausblick für das nächste Superteam der Western Conference.
Endgültig sieht aber auch diese Konstellation und Zusammenstellung des Kaders noch nicht danach aus, als würde es das vermeintlich beste Team aller Zeiten am Ende der Saison entthronen. Geht das Experiment deutlich daneben und man scheidet womöglich in der ersten oder zweiten Runde der Playoffs aus, so besteht die Gefahr, dass George nächsten Sommer in einer anderen Stadt versucht ein Superteam zu formen. Auch Anthony hat im nächsten Sommer die Möglichkeit, aus seinem Vertrag auszusteigen. Dazu müsste er allerdings 27,9 Millionen Dollar auf dem Tisch liegen lassen. Unwahrscheinlich. Wenigstens bei Westbrook besteht diese Gefahr nicht mehr, denn der hat gerade erst einen neuen Vertrag über 5 Jahre und 203 Millionen Dollar unterschrieben.
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